S.J.Schigulin

Zur Methodologie des Unterrichts
militärischer Künste an Kinder

S.J.Schigulin

Wie zu beobachten ist, kann ein Unterricht der militärischen Künste zur Steigerung der negativsten seelischen Eigenschaften bei denjenigen Menschen führen, die solche Eigenschaften bereits aufweisen, und er kann auch denjenigen, die den Weg des Verbrechens beschreiten, zusätzliche Vorteile bieten. Dies hängt ohne Zweifel in sehr bedeutsamem Maße davon ab, auf welche Art und Weise der Unterricht geführt wird, d.h. welche moralischen Normen der Lehrer seinen Schülern vermittelt.

Auf der anderen Seite kann der Unterricht militärischer Künste zum Bestandteil der Arbeit wahrhaft spiritueller Schulen werden, wo die Ideen die Liebe zu Gott und zu allem Lebenden, einschließlich der Menschen, Tiere und Pflanzen, das Fundament einer in die Tat umzusetzenden und zu verfechtenden Weltanschauung bilden (s. u.a. 3]).

Das Gesagte ist auch und gerade auf den Unterricht von Kindern anwendbar. Denn davon, auf welche Startposition man sie im Leben setzt, hängt sehr vieles in ihrem weiteren Schicksal ab.

Der wahre Sinn und Zweck des Erlernens von Kampfkünsten in der Tradition gesunder spiritueller Schulen besteht nicht darin, die Gegner schlagen zu können, sondern darin, die eigenen Schwächen und Mängel zu überwinden. Es ist eine fortwährende Selbstvervollkommnung als aktive Person, die moralische und spirituelle Prinzipien ins Leben umsetzt, darunter Tapferkeit, Sanftmut und Feingefühl bei Wechselbeziehungen mit Objekten der Umwelt, Gutherzigkeit sowie aufrichtige herzliche Liebe in Verbindung mit der Bereitschaft zur Selbstaufopferung. Ohne Zweifel führt ein solcher Unterricht bei richtiger Organisation zu einer erheblichen Stärkung der sozialen und psychologischen Standhaftigkeit.

Die Grundform beim Unterricht militärischer Künste sind Beschäftigungen in Gruppen. Dies ermöglicht erzieherische Maßnahmen, unter anderem durch Einprägung wahrhaft spiritueller Beziehungen innerhalb des Kollektivs. Die Kinder lernen bei solchen Trainings, mit Gleichaltrigen und Älteren umzugehen. Der Ausbilder, der über bestimmte Fähigkeiten verfügt, ist fast immer ein Gegenstand der Begeisterung und Nachahmung. Dies wiederum erlegt ihm eine große Verantwortung auf. Durch seinen aufrichtigen spirituellen Enthusiasmus kann er mit Leichtigkeit “die Herzen der Schüler entfachen” und wird zu einem moralischen Vorbild nicht nur in der Sporthalle, sondern auch im Alltag. Dazu ist aber nur ein Mensch mit einem offenen spirituellen Herzen fähig. Seine Aufgabe ist es, eine Atmosphäre des Wohlwollens und der Aufrichtigkeit zu schaffen, das spirituelle Potenzial der Schüler zutage zu fördern und ihnen die richtige Gesinnung gegenüber der Umwelt einzuflößen.

Für den Schüler beginnt alles mit der korrekten Einstellung zum Unterrichtssaal. Dieser ist ein Ort der Vervollkommnung und sollte deshalb sauber und ordentlich gehalten werden. Man muss sich dort angemessen verhalten. Beim Unterricht darf man nicht toben, sich ablenken lassen, andere stören und jegliche Tätigkeiten ohne ein Kommando des Ausbilders verrichten. Durch Einhaltung dieser Regeln lernt das Kind, seine Emotionen und Handlungen zu kontrollieren.

Das Training beginnt in stehender Position oder im “Schülersitz”. Da die militärischen Künste die Bewegungs- und Kraftsphäre berühren (zu ihren Koordinatoren im Organismus gehört das Untere Dantian), ist es besonders nötig, diese Arbeit vor dem Hintergrund verfeinerter Emotionen durchzuführen. Hierzu konzentriert man sich auf eine Darstellung der aufgehenden Sonne, baut Gefühls- und Muskelspannungen ab, öffnet die Gefühlssphäre durch Aktivierung des Mittleren Dantian und füllt dieses mit feinen Energiezuständen.

Weiter folgt das Aufwärmen. Es besteht aus gleitenden Bewegungen wie bei Tai Chi. Wir nannten diesen Komplex “Schaukelndes Schilfrohr”. Der Schüler stellt sich zunächst vor, er sei ein von leichtem Wind umblasenes Schilfrohr. Nun fällt es ihm leicht, die einfachsten Aufwärmübungen zu machen: Schaukelbewegungen, Verbeugungen und Durchbiegungen. Dabei wird der Körper entspannt, weich und nachgiebig. Die Übungen werden allmählich komplizierter, der Schwerpunkt liegt nun auf Biegsamkeit, Dehnungsvermögen und Elastizität. Das Aufrechterhalten angenehmer, komfortabler Zustände ist die unabdingbare Voraussetzung für eine gefahrlose Steigerung der Belastungen. Nur so kann man Verletzungen vorbeugen, Plastizität bei der Ausführung der “Formen” erwerben und die ganze Technik richtig meistern. Das hat nicht nur positive Auswirkungen auf den Körper, indem es sogar tief sitzende Spannungen abbaut und alle körperlichen Vorgänge wieder herstellt und harmonisiert, sondern auch auf den psychischen Zustand insgesamt.

Das Erlernen richtiger Körperstellungen nimmt bei Kampfkünsten einen besonderen Platz ein. Es ist die Grundlage für die Beherrschung der “Basistechnik”, denn es entwickelt die Standhaftigkeit als Fundament für die dynamischen Formen. Obwohl Kinder nicht gern lange in ein und derselben Position stehen, sind diese Übungen doch sehr wichtig, und zwar nicht nur für die Meisterung der technischen Seite. Sie fördern auch die Herausbildung der richtigen Haltung, was für die Gesundung des Organismus von nicht geringer Wichtigkeit ist.

Sehr gut für die Beherrschung statischer Stellungen ist die Bildvorstellung von einem Baum, der mit seinen Wurzeln in die Erde eindringt und mit den Blättchen sich zur Sonne streckt. Durch Arbeit mit diesem Bild kann man sehr leicht lernen, sich zu entspannen und einen positiven Gefühlszustand die ganze Übung hindurch beizubehalten.

Das Studium technischer Elemente in der Dynamik sorgt bei den Kindern für viel mehr Interesse und bietet die Möglichkeit, verschiedenartige Übungen in die Arbeit einzubeziehen. So hat beispielsweise das Laufen einen positiven Einfluss auf den Kreislauf und das Atemsystem, die Akrobatik entwickelt den Vestibularapparat und Übungen mit hoher Amplitude stärken das Bewegungs- und Stützsystem. Ein gesondertes Kapitel der Dynamik, bei dem grundlegende technische Aktivitäten vermittelt werden, sind Verlagerungen, Abwehrbewegungen und Angriffe.

Alle wollen in jungem Alter stark und selbstsicher werden. Wenn aber der Schüler mit dem Erlernen dynamischer Techniken beginnt, versteht er sofort, wie viel Kraft und Zeit notwendig ist, um die ihm gezeigte Technik zu meistern. Dies entwickelt bei ihm Fleiß, Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit.

Fast alle dynamischen Formen der traditionellen östlichen Kampfkünste sind mit Bildvorstellungen von “totemischen” Tieren verbunden, denen höhere Tugenden zugeschrieben wurden. Das Nachahmen ist für Kinder sehr bezeichnend. Beim Betrachten der Schüler kann man sehen, dass der eine, der sich beispielsweise in die Rolle des Tigers einlebt, Bewegungen ausführt, die von Weichheit und Kraft erfüllt sind; er ist ruhig. Ein anderer hingegen stimmt sich auf die Aggressivität des Tigers ein — mit allen sich daraus ergebenden Gefühlszuständen. Der Lehrer muss dann eine ernsthafte Erklärungsarbeit leisten.

Wir empfehlen bei der Arbeit mit Tierbildern weitgehende Vorsicht.

Am richtigsten und ungefährlichsten ist die Arbeit mit Naturbildern: Sonne, Wasser, Wind usw. Dies stimmt das Kind auf angenehme Emotionen, Reinheit und “Gleichklang” mit der Natur ein. Wenn sich ein Schüler etwa auf ein sanft dahinströmendes Bächlein abstimmt, führt er die Bewegungen fließender, leicht und zusammenhängend aus und bleibt dabei in einem positiven Gefühlszustand.

Solche Meditationstechniken knüpfen wir oft an Pranayamas. Dies erlaubt es, die Meridiane des Körpers effektiver zu reinigen und eine rasche und bedeutsame Verbesserung des Gesundheitszustandes der Schüler zu erreichen.

Die “Formen” können einzeln oder paarweise ausgeführt werden. Gerade bei der Paararbeit fließen alle Elemente der Vorbereitung in ein Ganzes zusammen. Hier sind die Vorzüge und Mängel der Schüler gut bemerkbar. Die Aufgabe besteht zum Teil darin zu lernen, seinen Partner nicht als Gegner zu sehen, sondern als einen Freund und Helfer. Solche Beziehungen entwickeln Aufrichtigkeit und Vertrauen, helfen Angst und Unsicherheit zu überwinden und bauen in der Folge die Aggressivität ab. Diese Eigenschaften werden dem Kind nicht nur im Unterricht nützen, sondern auch im täglichen Leben.

Unsere Erfahrung bei dieser Arbeit zeigt, dass alle ausreichend gesunden Kinder in die Gruppe aufgenommen werden können. Dabei empfehlen wir ihnen allen, neben anderen ethischen und hygienischen Lebensnormen, nach Möglichkeit zu einer “tötungsfreien” Ernährung zu wechseln. In den Gruppen gibt es immer eine natürliche “Absiebung”. Viele Schüler aber setzen ihre Ausbildung jahrelang fort. Ihnen geben wir nach dem Erreichen eines Alters von etwa 20 Jahren Methoden der Arbeit mit Chakras und Hauptmeridianen und bieten ihnen später auch eine Fortsetzung im Rahmen des Buddhi-Yoga [1,2] an. Selbstverständlich können zum Unterricht solch komplexer Methodiken nur diejenigen zugelassen werden, die voll und ganz die ethischen Grundsätze akzeptiert haben und intellektuell ausreichend entwickelt sind.

Der Unterricht militärischer Künste sollte nicht auf den Übungssaal begrenzt sein. Wir verwenden auch andere Lehrformen wie etwa die Besichtigung von Museen und anderen historisch bedeutsamen Orten, geschichtstheoretische Auseinandersetzung mit Kampfkünsten der Weltvölker und touristische Ausflüge. Dies alles erweitert das Blickfeld des Kindes, entwickelt einen Respekt vor dem kulturellen Erbe verschiedener Völker und flößt eine sorgsame Einstellung zur Natur ein. Auf diese Weise helfen militärische Künste dabei, eine harmonische und vielseitig entwickelte Persönlichkeit zu formen, und legen den Grundstock für Moral, Gesundheit und Spiritualität.

Literatur

 

  1. Antonow W.W. — Spirituelle Praktiken (Lehrhilfe). (In Russisch). Polus Verlag, SPB, 1998.
  2. Antonow W.W. — Ökologie des Menschen im multidimensionalen Raum. (In Russisch). Polus Verlag, SPB, 2000.
  3. Antonow W.W. — Unser Lebenssinn. (In Russisch). Reality Verlag, SPB, 2001.

 

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